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Zukunft Schulmusik

Gründung der Landeskonferenz Schulmusik

Pressemitteilung vom 20. Februar 2024

Am 14. Dezember 2023 hat sich auf Initiative des Landesmusikrates Bremen und des Bremischen Landesverbandes des Bundesverbandes Musikunterricht die Landeskonferenz Schulmusik konstituiert. Hervorgegangen aus einem roundtable-Format, an dem neben den genannten Verbänden auch Schulleitungen und Musiklehrkräfte verschiedener Schulformen aus Bremen und Bremerhaven, Mitarbeiter:innen des Landesinstitutes für Schule, der Universität Bremen und Vertreter:innen des Zentralen Elternbeirates beteiligt sind, versteht sich die Landeskonferenz Schulmusik als Interessenvertretung der musikalischen Bildung im Bremischen Schulwesen und als think tank, der sich zum Ziel setzt, unabhängig von parteipolitischen Interessen und unter Nutzung gebündelter kollektiver Kompetenzen neue Impulse zur Rettung der Schulmusik zu setzen.

Verarmung des „Ökosystems Schule“
Vor dem Hintergrund eines Schulsystems, das durch die Clusterung verschiedener Fächer der „Ästhetischen Bildung“ dem Musikunterricht kein verbindliches Stundenkontingent einräumt, tut der akute Fachpersonalmangel im Schulwesen ein Übriges, um flächendeckenden und kontinuierlich über die Zeit aufbauenden Musikunterricht unmöglich zu machen. Kein anderes Bundesland bleibt in der Stundenkontingenttafel so unverbindlich wie Bremen. Als Konsequenz des Verstummens der Musik an unseren Schulen, verarmt nicht nur das „Ökosystem Schule“, es interessieren sich zunehmend weniger Schüler:innen für ein Lehramtsstudium mit Hauptfach Musik, sodass sich das gesamte über mehr als hundert Jahre gewachsene musikalische Bildungssystem in einer Abwärtsspirale befindet.
„Nach den Ergebnissen der Bertelsmannstudie Musikunterricht in der Grundschule, in der Bremen ausdrücklich negativ hervorgehoben wird und vor dem Hintergrund des besorgniserregenden Rückgangs der Studierendenzahlen im Bereich Lehramt an der Universität Bremen bei gleichzeitig sprunghaftem Anstieg der Schüler:innenzahlen, müssen wir klar erkennen, dass der Musikunterricht in seiner Existenz bedroht ist. Politisch motivierte Schönfärberei muss endlich der Entwicklung eines nachhaltig wirksamen Maßnahmekonzeptes weichen“ macht Marc Niemann, Vorsitzender des Landesmusikrates Bremen, deutlich.
Michael Warnken, durch langjährige Tätigkeit als Ausbilder von Referendaren am Landesinstitut für Schule versierter Kenner der Situation wurde bei der konstituierenden Sitzung am 14. Dezember 2023 zum Sprecher gewählt. Im ersten Schritt wurde eine anonyme Umfrage entwickelt und durchgeführt, an der sich 80 Schulen (57 Grundschulen, 17 Oberschulen, 6 Gymnasien) beteiligt haben. Die Ergebnisse sind aussagekräftig und bestätigen, dass es bei der flächendeckenden Erteilung von qualifiziertem Musikunterricht riesige Lücken gibt und das Bremische Schulwesen flächendeckend „sang- und klanglos“ ist.

Offener Dialog
So kündigt Elmar Luksch, Landesvorsitzender des BMU, an, man werde einen offenen Dialogprozess mit der senatorischen Behörde für Kinder und Bildung etablieren, um im konstruktiven und kritischen Austausch, Ideen und Maßnahmen zu entwickeln, wie im Land Bremen musikalische Bildung mit all ihren positiven Effekten allen Schüler:innen zugänglich gemacht werden kann und nicht zunehmend ein Privileg privat geförderter Wohlhabender wird.

 

 

Schulmusik vor dem Kollaps – Ein Aufruf des Landesmusikrats Bremen zur Rettung des Musikunterrichtes

16. März 2023

Die von der Bertelsmann Stiftung im Auftrag des Deutschen Musikrats durchgeführte Studie zum Musikunterricht in der Primarstufe zeichnet für die Grundschulen im Land Bremen ein desaströses und alarmierendes Bild: Der Studie zufolge wurden im Schuljahr 2016/17 gerade einmal 27,5% des tatsächlich erteilten Musikunterrichts fachgerecht erteilt. An 37,4% der Grundschulen steht überhaupt keine Musiklehrkraft zur Verfügung. Im Ländervergleich belegt Bremen in dieser Hinsicht den letzten Platz! Auch die Prognosen für das Jahr 2028 sind ernüchternd: Das Lehrkräfte-Defizit im Bundesland Bremen dürfte dann bei fast 400 liegen, der Anteil des fachfremd erteilten Musikunterrichts würde voraussichtlich sogar auf 76,3% steigen. Kritisch ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand zu werten, dass sich Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für Musik an einzelnen Schulen ballen, dort allerdings vorwiegend ihr jeweiliges Zweitfach unterrichten mit der Konsequenz einer Verschärfung der allgemeinen Mangellage.

Die Ergebnisse der IQB-Bildungstrends 2021, ein wichtiges Bildungsmonitoring auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK), sind mit Blick auf das Land Bremen ebenso erschreckend: Untersucht wurde das Erreichen der bundesweit geltenden Bildungsstandards der KMK in den Fächern Deutsch und Mathematik für den Primarbereich. Mit dem bundesweit niedrigsten Mittelwert weisen Bremer Kinder nicht nur gravierende Defizite in den Bereichen Lesen und Zuhören auf, sondern hinken den geltenden Bildungsstandards beispielsweise in Orthografie etwa zwei Drittel, in Mathematik gar drei Viertel eines Schuljahrs hinterher: „Schlusslicht ist – wie schon 2016 – in fast allen Kompetenzbereichen das Land Bremen“ (siehe den Ländervergleich des Deutschen Schulportals der Robert Bosch Stiftung). Obgleich Bremen rege den Anspruch auf umfassende Bildung in die gesamte Breite der Bevölkerung anstrebt und formuliert, belegen die Studienergebnisse insbesondere auch die sich weiter öffnende Schere zwischen Kindern aus sozial begünstigten und sozial benachteiligten Familien.

Der Landesmusikrat Bremen hegt vor dem Hintergrund der festgestellten Lern- und Entwicklungsstände sowie des eklatanten Fachkräftemangels nun die Befürchtung einer weiteren Fokussierung auf die sogenannten Kernfächer in allen Schulstufen. Das Fach Musik würde hierdurch noch weiter als bisher an den Rand des Fächerspektrums gedrängt. Der Landesmusikrat fordert daher eine neu ausgerichtete Bildungspolitik, die Bremen seiner derzeitigen und seit Langem eingenommenen Rolle als Bundesschlusslicht enthebt, die die gegenwärtige Beschaffenheit in ihrer Gänze auf den Prüfstand stellt, die aus ihrem Versagen lernt und entsprechende Konsequenzen zieht. Für das Fach Musik im Speziellen werden folgende Forderungen erhoben:

 

Zum Musikunterricht

Der Landesmusikrat fordert einen verbindlichen Musikunterricht, wie er auch in Niedersachsen oder Hamburg realisiert wird. Nach der derzeit in Bremen geltenden Stundentafel wird eine Gesamtstundenzahl von 24 für sog. „Ästhetische Fächer“ (Sport, Kunst, Musik) in der Grundschule vorgesehen.[1] Zwar ist die rechnerische Stundenzahl für Musik bei Gleichverteilung der Fächer (8 Stunden pro Fach) höher als in Niedersachsen oder Hamburg, doch ist das Fach Musik in Bremen explizit nicht verpflichtend. Auch in der Kontingentstundentafel der Sekundarstufe 1 wird zwar für die Oberschule eine Gesamtstundenzahl von 12 und am Gymnasium von 10 für den Fächerverbund Kunst, Musik und Darstellendes Spiel vorgesehen (Sport wird ab Klasse 5 aus dieser weiteren Clusterung herausgenommen), doch ist auch hier der Musikunterricht selbst nicht obligatorisch. Kurzum: In Bremen ist es also möglich, die gesamte Schulzeit ohne das Fach Musik zu durchlaufen! Um einen verbindlichen Musikunterricht zu gewährleisten, muss das Fach als eigenständig in der Stundentafel ausgewiesen werden, sowohl in der Primarstufe als auch in der Sekundarstufe 1 (wie das in Niedersachsen oder Hamburg praktiziert wird). Dann erst könnten auch der erteilte wie der nicht erteilte Musikunterricht präzise erhoben und beziffert werden.

In diesem Zusammenhang halten wir es für unabdingbar, Musik auch in der Sekundarstufe 1 zum Mangelfach zu erklären, um die Einstellung von Lehrkräften (auch in den Vorbereitungsdienst) zu erleichtern. Zur Förderung der künstlerischen Musikpraxis – insbesondere ebenfalls für Kinder ohne/mit wenig Zugang zu einem (eigenen) Musikinstrument) – fordern wir überdies die zumindest sporadische Einrichtung von Halbgruppenunterricht. Möglich würde dies etwa durch die parallele Erteilung von Kunst- und Musikunterricht für jeweils halbierte Klassengruppen, die zum Halbjahr zum jeweils anderen Fach wechseln würden, anstelle des derzeit häufig epochal stattfindenden Unterrichtes in beiden Fächern.

 

Zum Lehrpersonal

Die Unverbindlichkeit des Musikunterrichts (die Bildungsstandards erweisen sich als zu vage und in der Praxis als wenig verbindlich) sowie die hohe Arbeitsbelastung durch überwiegend soziale Aufgaben außerhalb des didaktischen Kernbereichs, für den das Lehrpersonal gerade im Fach Musik besonders brennt, führt zu Verdruss und Ermüdung vieler Schulmusiker:innen. Wir sehen das Land Bremen in der Pflicht, die Wochenarbeitszeit an den Oberschulen/Gymnasien mindestens den niedersächsischen Regelungen entsprechend zu reduzieren, um eine Abwanderung qualifizierter Lehrer:innen in das niedersächsische Umland zu minimieren. In diesem Zusammenhang kritisieren wir den fachfremden Einsatz von Lehrpersonen, die zwar eine Fakultas in Musik haben, aber insbesondere durch das Klassenlehrerprinzip oder die Kernfach-Fokussierung nicht fachgerecht zum Einsatz kommen (hier schlagen auch die KMK-Vorgaben mit der obligatorischen Fächerverbindung mit Deutsch und Mathematik für das Fach Musik in der Primarstufe erschwerend durch). Lehrkräfte im Primarstufenbereich mit der Fakultas Musik sollten in Bremen auch Musikunterricht erteilen. Umgekehrt sollte Kolleg:innen, die fachfremd Musik unterrichten (müssen), während der Dienstzeit die Möglichkeit gegeben werden, sich an der Universität in Kooperation mit der Hochschule für Künste sowie dem Landesinstitut für Schule Bremen durch eine Fortbildung zu qualifizieren. Zudem sollte an jeder Schule, insbesondere der Grundschule, wenigstens eine Lehrkraft mit der vollen Fakultas Musik eingesetzt werden, die wiederum andere überwiegend fachfremde Kolleg:innen, Referendar:innen sowie Personen im Quer- und Seiteneinstieg fort- und weiterbildet. Neben dieser Aufgabe der Fort- und Weiterbildung sollte ebendiese Fachkraft die Leitung der künstlerischen Arbeit innehaben, um durch erklingende Musik an Schulen für die Musik und den Lehrberuf zu begeistern. Noch zielführender wäre, insbesondere wenn das Land Bremen an den KMK-Vorgaben mit der verpflichtenden Fächerverbindung von Deutsch und Mathematik festhält, etwa das bayerische Modell, in welchem sich alle Lehramtsanwärter:innen im Primarstufenbereichen durch entsprechende Module in Musik (mindest-)qualifizieren.

Der Landesmusikrat Bremen fordert grundsätzlich die Zulassung von Lehrer:innen im Primarbereich mit nur einem Pflichtfach (Deutsch oder Mathematik) neben weiteren Fächern sowie im Sekundarbereich die Zulassung von Lehrkräften mit nur einem Lehramtsfach Musik – sowohl in der regulären Lehramtsqualifikation als auch im späteren Seiten- oder Quereinstieg. Die bisherigen Wege ins Lehramt auf dem regulären Bildungsweg und im Seiteneinstieg A, B oder U sind besonders für jene Personen unattraktiv, die in ihrem Wirken nah an der Musik sind oder etwa vornehmlich in Bereichen der Kunst, Wissenschaft oder Wirtschaft wirken. Diese grundsätzlich interessierten Personen gehen dem Bundesland Bremen verloren, weil sie kein zweites Fach unterrichten können und wollen. Auch das Projekt BACK TO SCHOOL überzeugt nur eingeschränkt, da die sog. „doppelt-professionelle Lehrkraft“ lediglich im Anstellungsverhältnis eingestellt und auch schlechter besoldet wird. So fordern wir die Herstellung der strukturellen Voraussetzungen, um auch Studierende, die sich ausschließlich der Musik widmen wollen, für ein Doppelfach Musik zu gewinnen. Hervorragende Beispiele finden sich etwa in Bayern (Wahl Doppel- oder Zweitfach) oder in Baden-Württemberg (Möglichkeit des Verbreitungsfaches, z. B. Jazz/Pop). Auch an der Universität Regensburg, die eine ähnliche Kooperationskonstruktion wie in Bremen besitzt, oder an der Hochschule für Musik Dresden wird ermöglicht, neben dem Lehramtsfach Musik ein weiteres künstlerisches Fach (Instrumental-/Gesangspädagogik, Chorleitung oder Kirchenmusik) zu studieren.

 

Qualifizierte unterrichtsergänzende musische Bildung

Im Zuge des Ausbaus der Ganztagsbetreuung der Schulen und der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 sind musische Angebote, die den regulären Musikunterricht ergänzen, mit qualifiziertem Personal abzusichern und zu erweitern. Passgenaue Qualifizierungsangebote müssen frühzeitig und systematisch implementiert werden, damit in den Ganztagsangeboten Zugänge zu unterschiedlichen Formen der Musik eröffnet sowie individuelle musische Talente und Fähigkeiten der Kinder und Jugendliche gefördert werden können. Wünschenswerte Kooperationen von Grundschulen mit öffentlichen Musikschulen, Orchestern oder weiteren externen Partnern sind im Rahmen institutioneller Förderung zu stärken.

Die Vielfalt der schon jetzt existierenden „Leuchtturm“-Projekte in diesem Bereich kann den Weg weisen, wie die Vernetzung von Schule und Kulturakteur:innen den Musikunterricht unterstützen kann. Andere Länder setzen bereits mit großangelegten Programmen wie JEKI („Jedem Kind ein Instrument“), EMSA („Eine Musikschule für Alle“) und „The Young ClassX“ Maßstäbe in relevanten Größenordnungen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für eine ganzheitliche Bildung der flächendeckend erteilte qualifizierte Musikunterricht nicht zu ersetzen und unerlässlich ist.

 

Der Landesmusikrat Bremen fordert die Bildungspolitik und die Schul- und Bildungsbehörden auf, ohne die üblichen Reflexe der Verantwortungsdelegation und Ablenkungsrhetorik zügig in Gespräche mit allen Akteur:innen und Betroffenen einzutreten und Maßnahmen zur Rettung der Schulmusik im Land Bremen einzuleiten.

 

[1] Diese Zahl gibt die wöchentliche Stundenzahl verteilt auf die 4 Schuljahre der Primarstufe an. Z.B.: Ein Kontingent von 24 Stunden ermöglicht 6 Stunden pro Woche pro Schuljahr für alle drei Fächer des Clusters und somit 2 Wochenstunden für das Fach Musik.

 

Aufruf als pdf: Schulmusik vor dem Kollaps – Ein Aufruf des Landesmusikrats Bremen zur Rettung des Musikunterrichtes_März 2023

 

 

Stellungnahme des Deutschen Musikrats #SchuleNeuDenken: mehr Musik!

Das Präsidium des Deutschen Musikrates hat in seiner Sitzung am 10. März 2023 die Stellungnahme #SchuleNeuDenken: mehr Musik! verabschiedet. Darin werden in fünf zentralen Feldern die grundlegenden Stellschrauben für eine bessere musikalische Bildung identifiziert.Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Der Deutsche Musikrat fordert alle Abgeordneten und Regierungen in Bund, Ländern und Gemeinden auf, allen Kindern und Jugendlichen von Anfang an eine fundierte musikalische Bildung zu ermöglichen. Die Erstbegegnung mit Musik und anderen künstlerischen Fächern an den Orten, an denen alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden – den Kitas und Schulen –, ist für viele ein Schlüsselelement in ihrer persönlichen Entwicklung. Diese Fächer auf die Ersatzbank zu setzen, wie es vielerorts derzeit passiert, ist unverantwortlich und kurzsichtig: Denn es bringt Kinder und Jugendliche massiv um ihre Bildungschancen und prägt damit auch die Gesellschaft von heute und morgen auf fatale Weise. Selbstwirksamkeit zu erfahren und die Neugierde auf Unbekanntes zu befördern, ist für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und damit auch für unsere Demokratie von existenzieller Bedeutung. #SchuleNeuDenken ist daher viel mehr als nur ein Hashtag: Es ist eine Mission für uns alle.“

Die Pressemitteilung des Deutschen Musikrates zum Download finden Sie hier.

Die Stellungnahmen des Deutschen Musikrats zum Download finden Sie hier.

 

Der Landesmusikrat wird durch den Senator für Kultur des Landes Bremen gefördert.

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